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Sanierung und Erweiterung einer Mehrzweckhalle Ingerkingen

Sanierung und Erweiterung einer Mehrzweckhalle

Schlagworte

Holzbau-Referenz
HIP - Bauvorhaben
MLR
EFRE Holz Innovativ Programm
Mehrzweckhalle
2024

Projektdetails

ProjektartBauvorhaben – HIP
GebäudetypMehrzweckhalle
Ort88433 Schemmerhofen-Ingerkingen
Fertigstellung2024
FördernehmerGemeinde Schemmerhofen, Schemmerhofen
BilderBrigida Gonzales, Steffen Dietze, Atelier Kaiser Shen

Details zum Projekt

Eine 1964 erbaute Mehrzweckhalle wurde umfassend saniert, umgebaut und in Holzrahmenbauweise erweitert. Dabei wurde die Südfassade nach außen versetzt und das Gebäude in Teilbereichen mit zwei gegenläufigen Pultdächern aufgestockt. Bei diesem Umbau blieben rund 60 Prozent der ursprünglichen Bausubstanz erhalten, darunter die Fundamente, die Bodenplatte, Decken und Massivwände im nördlichen Bereich sowie der straßenseitige Bühnentrakt. Möglich wurde dies durch ein neues, materialoptimiertes Holztragwerk aus Brettschichtholz, das im Achsraster der vorgefundenen Stahlbetonstützen aufgereiht wurde. Es besteht aus einhüftigen Zweigelenkrahmen und leitet 60 Prozent der darauf einwirkenden Lasten in neue Fundamente im Süden und 40 Prozent in den Bestand im Norden ab. So stellt die Konstruktion die konsequente Ableitung der Lasten trotz erhöhter Spannweiten weiterhin sicher. Diese neue Dachkonstruktion überspannt sowohl die Einfeldhalle mit Bühne, das Foyer, und den Vereinsraum der Narrenzunft. Die Nebenräume wie Küche mit Theke, Kühlraum als auch die Geräteräume, Technik und Stuhllager sind im nördlichen Bestandstrakt untergebracht, neue Umkleiden und Sanitärräume in der Aufstockung darüber. Durch eine Auskragung im Süden entsteht ein wettergeschützter Vorplatz. Die Dachkonstruktion war schließlich ausschlaggebend für die Förderwürdigkeit des beispielhaften Sanierungs- und Erweiterungsprojekts, das sich aus mehreren Gründen gegen einen Neubau durchsetzte: der Erhalt der grauen Energie, der Erinnerungswert des Bestands und nicht zuletzt die geringeren Kosten der gewählten Maßnahme.


Architektur: Atelier Kaiser Shen Architekten PartGmbB, Stuttgart
Tragwerksplanung: str.ucture GmbH, Stuttgart
Technische Gebäudeausrüstung: Paul+Gampe+Partner GmbH Beratende Ingenieure, Esslingen am Neckar
Brandschutzplanung: wurm Gesamtplanung PartG mbB, Ravensburg
Ausführung Holzbau: Prinz Holzbau KG, Schemmerhofen
Rückbau: Roland Späth Abbruch- und Straßenbau, Langenenslingen
Rohbau: Matthäus Schmid Bauunternehmen GmbH & Co. KG, Baltringen
P-R-Fassade: SEKRA Fenster- und Fassadentechnik GmbH, Gundelfingen
Schlosser- und Metallbauarbeiten: Stahlbau Braunger GmbH, Laupheim
Sporthallenausbau: Diaplan Innenausbau GmbH, Freilassing
Sportgeräte: Gotthilf Benz Turngerätefabrik GmbH & Co. KG, Winnenden

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Nachhaltig weiterbauen

Eine 1964 erbaute und seitdem mehrfach um- und ausgebaute Mehrzweckhalle wurde einer Generalsanierung unterzogen. Ziel der Baumaßnahme war es, das Bestandsgebäude sowohl technisch als auch funktional und architektonisch an die heutigen Anforderungen an eine Mehrzweckhalle anzupassen. Dabei wurde der Baukörper durch eine Verschiebung der Südfassade und eine Aufstockung in Holzrahmenbauweise erweitert. Neben der bestehenden Einfeldhalle mit Bühne, Foyer, Küche mit Theke und Kühlraum sind nun Geräteräume, Technik, Stuhllager, Umkleiden, Sanitärräume und ein Vereinsraum integriert.

Rund 60 Prozent der ursprünglichen Baumasse blieben beim Umbau erhalten, darunter die Fundamente, die Bodenplatte, Decken sowie die Massivwände im nördlichen Gebäudeteil und der straßenseitige Bühnentrakt. 

Holztragwerk

Die Voraussetzung für den Erhalt des Bestands schuf ein neues Holztragwerk aus Brettschichtholz, das in enger Zusammenarbeit zwischen den Architekten Atelier Kaiser Shen aus Stuttgart und den Tragwerksplanern Str.ucture entwickelt wurde und das Gebäude überspannt. Es besteht aus einhüftigen Zweigelenkrahmen (Länge: 20,95 m, Höhe: 6,70 m, Breite: 24 cm), die im Achsraster der bestehenden Stahlbetonstützen aneinandergereiht sind, wobei die Riegel gelenkig auf dem Bestandsgebäude aufliegen.

Diese Rahmen leiten etwa 60 Prozent der einwirkenden Lasten in die neuen Fundamente im Süden ein und 40 Prozent in den Bestand im Norden ab. Die horizontalen Lasten werden ausschließlich am Fußpunkt der Rahmenstütze abgetragen. Materialoptimiert ausgebildet, folgen die Rahmen mit einer gekrümmten Form dem Momentenverlauf und verbreitern sich trapezförmig zur biegesteifen Ecke hin. Die Binder ruhen auf Betonstützen und eine Dachauskragung im Süden schafft einen wettergeschützten Vorplatz vor der Halle.

Aufstockung und Fassade

Die neue Südfassade (traufseitige Wand im Süden) wurde in Holzrahmenbauweise und einer umgedrehten Pfosten-Riegel-Fassade errichtet und das Bestandsgebäude durch eine Aufstockung mit zwei gegenläufigen Pultdächern ergänzt, die neben den Funktionsräumen auch die Halle überspannen. Die Fassade des Holzrahmenbaus besteht aus einer Boden-Leisten-Schalung aus unbehandeltem, sägerauem Fichtenholz mit Standardprofilen 60/40 mm. Die Leisten wurden in Nord-Süd-Richtung verlegt, so dass sie an den West- und Ostgiebeln liegend und an der Nord- und Südfassade stehend eingesetzt wurden. Fenster, Lüftungsauslässe und Wartungstüren der Lüftungsanlage liegen hinter der durchlaufenden Lattung. Optisch wirken die Aufstockung und Erweiterung wie ein den Bestand umschließendes Holzvolumen. Das Bestandsmauerwerk wurde gedämmt und in Anlehnung an den Originalputz verputzt. Die Holzfassade bleibt unbehandelt und wird mit der Zeit vergrauen.

Wege zur Erweiterung

Im Norden markiert der neue Sportlereingang zusammen mit einer leichten Stahltreppe die Grenze zwischen Bestand und Erweiterung. Im Westen grenzen die gedämmten, verputzten Bestandswände an die hinterlüftete Holzfassade. Ein Versatz von etwa 12 cm zwischen dem Mauerwerk und der schlankeren Holzrahmenkonstruktion betont die Trennlinie zwischen Alt und Neu und die Plastizität des Bauwerks.

Das Energiekonzept kombiniert reduzierte technische Einbauten mit der Möglichkeit, diese einfach zu revisionieren: Die die natürliche Belüftung ergänzende Lüftungsanlage wurde auf ein Minimum reduziert und – soweit möglich – zugunsten einer einfachen Wartung sichtbar belassen. Aus Kostengründen bauten die Vereinsmitglieder die alte Halle ehrenamtlich zurück und verkauften Teile wie ausgebaute Sanitärobjekte oder verwerteten sie wieder, z.B, die bisherige Holzbekleidung des Hallenraums, die nun eine Waldhütte bekleidet.

Die Entscheidung, eine Sanierung statt eines Neubaus durchzuführen, wurde mit dem Ziel begründet, die graue Energie zu erhalten, den Erinnerungswert des Gebäudes zu bewahren und die vergleichsweise geringeren Sanierungskosten zu nutzen. Das innovative Holztragwerk, das eine weitgehende Erhaltung des Bestands ermöglichte, führte zudem dazu, dass die Baumaßnahme als Vorbild für viele sanierungsbedürftige Mehrzweckhallen in Baden-Württemberg eingestuft und als förderungswürdig anerkannt wurde.

Für das Projekt erhielt die Gemeinde als Bauherrin Fördergelder in Höhe von 75.600 Euro aus dem Sportstättenbauprogramm vom Land Baden-Württemberg, zusätzlich 360.000 Euro aus dem Ausgleichstock sowie 500.000 Euro aus dem Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum. Weiterhin wurde die Maßnahme mit rund 2.200.000 Euro aus dem Bundesprogramm „Sanierung kommunaler Einrichtungen in den Bereichen Sport, Jugend und Kultur“ gefördert. Dazu kamen 250.000 Euro über das Programm Holz Innovativ aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung – Innovation und Energiewende (EFRE 2014-2020) in Baden-Württemberg dank der Einstufung „modellhaftes Bauvorhaben“.

 

Projektbeschreibung: Susanne Jacob-Freitag, Karlsruhe, in Kooperation mit Christine Ryll, München

Links

 

Dieses Projekt wird kofinanziert durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE).