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Mehrgeschossiges Landratsamt in Hybridbauweise Biberach

Mehrgeschossiges Landratsamt in Hybridbauweise

Schlagworte

Holzbau-Referenz
HIP - Bauvorhaben
MLR
EFRE Holz Innovativ Programm
Öffentliches Bauen
2020

Projektdetails

ProjektartBauvorhaben – HIP
GebäudetypMehrgeschossiger Holzbau
Ort88400 Biberach a. d. Riss
Fertigstellung2020
FördernehmerLandkreis Biberach, vertreten durch das Amt für Liegenschaften und Gebäude
BilderLandratsamt Biberach, Fritschle, Conné van d‘Grachten, Ingo Rack, Rapp Architekten

Details zum Projekt

Biberach hat seit Ende 2020 ein neues Landratsamt. Die Entscheidung für den Erweiterungsbau in der Rollinstraße fiel 2015. Dabei legte die Bauherrschaft großen Wert auf eine energetisch vorbildliche Bauweise mit ökologischen Baustoffen. Entsprechend dieser Vorgaben entstand ein Gebäude in Holzhybrid-Bauweise. Es kombiniert eine Skelettkonstruktion aus Brettschichtholz- und Buchen-Furnierschichtholz-Stützen und Brettschichtholz-Trägern mit Brettsperrholz-Wänden und Holz-Beton-Verbund-Decken. Dabei steht der kompakte Baukörper mit einem Grundriss in Parallelogrammform auf einem Stahlbeton-Untergeschoss, das als Tiefgarage dient. Mit vier Geschossen ist er knapp 17,50 m hoch. Ein zentraler Lichthof über drei Etagen sorgt für viel Tageslicht in den Büroräumen. Das sichtbare Holz an den Innenwänden, aber auch die großen Fensterelemente schaffen hier eine hohe Aufenthaltsqualität. Um einen überdachten Eingangsbereich zu erhalten, ist das Erdgeschoss an einer Ecke entsprechend ausgenommen. Die Gebäudehülle ist in Passivhausqualität ausgeführt. Ergänzt durch die markante Keramikfassade hebt sich der Verwaltungsbau optisch von seiner Umgebung ab. Eine Grundwasserwärmepumpe zur Wärmeerzeugung und Kühlung sorgt zudem im Winter wie im Sommer für ein angenehmes Raumklima. Dank des Neubaus sind in Biberach sämtliche Ämter des Landratsamts – mit Ausnahme des Landwirtschaftsamts und Vermessungsamts – in den vier Verwaltungsgebäuden in der Rollinstraße vereint.

 

Architektur: Gurland + Seher Architekten BDA, Biberach, und Rapp Architekten, Ulm
Tragwerksplanung: tragwerkeplus Hochbauplanung GmbH & Co. KG, Reutlingen
Holzbau: Fritschle GmbH, Uttenweiler
Fachplanung HLS, Energiekonzept: Schreiber Ingenieure, Ulm
Fachplanung Brandschutz: mhd Brandschutz, Ulm
Fachplanung Elektro: Neher Butz Ingenieurbüro für Gebäudetechnik GmbH, Senden


Auszeichnungen:

  • Effizienzpreis „Gold“ beim Landeswettbewerb „Bauen und Modernisieren“
  • „Bespielhaftes Bauen im Landkreis Biberach 2015 – 2021“

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Wettbewerb forderte ökologisches und energetisches Vorbildgebäude

Die zwei Hauptgebäude des Landratsamts in der Rollinstraße in Biberach konnten schon lange nicht mehr alle Ämter beherbergen. 2015 fiel dann die Entscheidung für den Neubau eines weiteren Verwaltungsgebäudes in der Rollinstraße, um die im Stadtgebiet verteilten Ämter zu zentralisieren.Zu Beginn des Planungsprozesses hat der Bauherr zusammen mit dem Kreistag überlegt, welche Anforderungen das Gebäude erfüllen soll. Schnell war klar, dass es ein ökologisch und energetisch vorbildliches Gebäude werden soll. Aus dem europaweit ausgelobten, zweistufigen Wettbewerb ging schließlich die Architektengemeinschaft Gurland und Seher aus Biberach zusammen mit Rapp Architekten aus Ulm als Sieger hervor.

Die Erweiterung des Landratsamtes Biberach wurde als freistehender Neubau auf einem separaten Grundstück in unmittelbarer Nähe des Hauptgebäudes in der Rollinstraße 9 und in direkter Nachbarschaft zum ebenfalls vom Landratsamt genutzten Gebäude in der Rollinstraße 17 geplant. Das Bestandsgebäude auf dem Grundstück wurde Anfang 2018 samt Keller, Bodenplatte, Fundamente und Nebengebäude abgerissen.

Viergeschosser mit wenigen schlanken, aber hochtragfähigen Innenstützen

Der viergeschossige, knapp 17,50 m hohe Neubau steht auf einem Stahlbeton-Untergeschoss, das als Tiefgarage dient. Der kompakte Baukörper erhebt sich auf einem Grundriss in Parallelogrammform mit Seitenlängen von etwa 34,50 m und 28 m; die parallele Verschiebung der Längsseiten ist städtebaulich bedingt. Die Grundrisse des ersten bis dritten Obergeschosses sind aufgrund des zentralen Lichthofs zudem mit 7,45 m x 11 m in der Mitte ausgepart.

Das Erdgeschoss ist in Bezug zur Geländeoberfläche um etwa 1,50 m erhöht, was sich aus dem relativ hohen Grundwasserstand von etwa. 2 m unterhalb des Geländes ergibt. Damit die Sohle der Bodenplatte des Untergeschosses noch knapp über diesem Niveau liegt, „rutschen“ die übrigen Geschosse entsprechend nach oben. Tiefer führende Bauteile wie Aufzugsunterfahrten, Fundamente usw. binden allerdings ins Grundwasser ein. Daher wurde das Untergeschoss in wasserundurchlässiger Stahlbetonbauweise als sogenannte „weiße Wanne“ erstellt. Stützen, Unterzüge und Flachdecken von Keller und Tiefgarage sind aus Stahlbeton hergestellt worden, ebenso Treppenhäuser und Aufzugsschacht. Letztere in Sichtbetonqualität, Auch die Treppenläufe sind aus Stahlbeton ergestellt. Um einen überdachten Eingangsbereich zu erhalten, ist das Erdgeschoss an einer Ecke entsprechend zurückgenommen.

Als Tragstruktur dient eine Skelettkonstruktion aus Brettschichtholz- und Buchen-Furnierholz-Stützen (kurz: Baubuche-Stützen) sowie aus Brettschichtholz-Trägern in Kombination mit Holz Holz-Beton-Verbund-Decken. Im Erdgeschoss und ersten Obergeschoss kamen für den Innenbereich quadratische Baubuche-Stützen der Festigkeitsklasse GL 70h zum Einsatz. Mit Wahl dieses Hartholzes konnten die Stützen trotz der großen Abstände im Gebäuderaster von 7,80 m und 5,30 m und trotz der hohen Lasten, die sie aus den Geschossen darüber aufzunehmen haben, entsprechend schlank dimensioniert werden. Mit Querschnitten von 28 cm x 28 cm sind sie sogar schlanker als die Brettschichtholz-Innenstützen im zweiten und dritten Obergeschoss. Da sie der Einheitlichkeit halber jedoch wie Brettschichtholz aussehen und die gleichen Abmessungen wie die Brettschichtholz-Stützen in den darüber liegenden Geschossen haben sollten, erhielten die BauBuche-Innenstützen eine Rundum-Bekleidung aus 4 cm dicken Leimholzplatten. So haben alle Innenstützen quadratische Abmessungen von 36 cm. Die Ummantelungen schützen die tragenden BauBuche-Querschnitte im Falle eines Brandes auch gleichzeitig vor Feuer.

Der Rest der Skelettkonstruktion besteht aus Rand- bzw. Fassadenstützen aus Brettschichtholz sowie Brettschichtholz-Trägern in Kombination mit 10 cm dicken Brettsperrholz-Wänden und 34 cm dicken Holz-Beton-Verbund(HBV)-Decken, bestehend aus 22 cm dicken BSP-Elementen und 12 cm Aufbeton. Die über Einfräsungen, den sogenannten Kerven, verzahnten und schubfest verbundenen zwei Schichten der HBV-Decken bilden statisch wirksame Scheiben. Zusammen mit den beiden Stahlbeton-Erschließungskernen an den Gebäudelängsseiten steifen sie das Gebäude aus. Lediglich die Dachdecke wurde als reine Holzdecke ausgeführt. Die Geschossdecken erhielten einen 20 cm hohen Hohlraumboden für Installationen, so dass eine lichte Stockwerkshöhe von 3,20 m bleibt. Ansonsten haben die Architekten die Tragstruktur der Holzstützen und -Träger sowie die Deckenuntersichten sichtoffen belassen.

Architektur bringt viel Tageslicht nach innen

Um Licht in die Flure der oberen Geschosse zu bringen, münden sie in einen offenen Wartebereichen mit Fenster. Darüber hinaus sorgt das zentrale Atrium, das über die drei Obergeschosse reicht, für Tageslicht in den Fluren und innen liegende Büros. Ansonsten schafft das sichtbar belassene Holz der Stützen und Träger sowie der Deckenuntersichten eine hohe Aufenthaltsqualität und zusammen mit den großen Fensterelementen helle und freundliche Räume.

Das neue Verwaltungsgebäude beherbergt im Erdgeschoss die Zulassungs- und Führerscheinstelle – mit rund 30.000 Besuchern pro Jahr sind dies die publikumsintensivsten Bereiche des Landratsamts. Die oberen Geschosse haben das Verkehrsamt, das Gesundheitsamt und das Amt für Organisation und Digitalisierung bezogen. Auf den vier Etagen kommen insgesamt 135 Arbeitsplätze unter, überwiegend in Einzel- und Doppelbüros, zum Teil aber auch in Großraumbüros, dem sogenannten Open Office.

Keramik-Fassade betont sichtbaren Holzbau innen

Der lebhaften Struktur der Fassade aus Ton-Keramik-Platten mit senkrechten Stegen sieht man den Holzbau nicht an, dafür sorgt das Holz im Gebäudeinnern umso mehr für Überraschung. Durch die markante Fassade hebt sich der Neubau optisch von seiner Umgebung ab. Die Gebäudehülle weist zudem Passivhausqualität auf.

Auf dem Dach ist eine Photovoltaik(PV)-Anlage installiert. Der hieraus gewonnene Strom wird mithilfe eines Batteriespeichers zu 99 Prozent im Gebäude genutzt. Neben dieser PV-Anlage erhielt das Dach sowie das Dach des Innenhofs über der Erdgeschossdecke eine extensive Begrünung. Die Wärmeerzeugung und Kühlung des Neubaus erfolgt über eine Grundwasserwärmepumpe, die sowohl im Winter als auch im Sommer für ein angenehmes Raumklima sorgt. Das Grundwasser dient zudem auch zur Kühlung des Serverraums, dessen Abwärme wiederrum über eine Wärmerückgewinnung genutzt wird.

Das Landratsamt ist das erste mehrgeschossige Verwaltungsgebäude in Baden-Württemberg in Hybridbauweise und seit Fertigstellung architektonisches Schmuckstück der Stadt. Hierfür erhielt der Landkreis eine Förderung von 300.000 Euro aus dem Holz Innovativ Programm des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE).

 

Projektbeschreibung: Susanne Jacob-Freitag