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Turm des Waldes - Forstamt aus gestapelten Mehrfach-Rahmen Freiburg

Turm des Waldes - Forstamt aus gestapelten Mehrfach-Rahmen

Schlagworte

Holzbau-Referenz
HIP - Bauvorhaben
MLR
EFRE Holz Innovativ Programm
Verwaltungsgebäude
2022

Projektdetails

ProjektartBauvorhaben – HIP
GebäudetypVerwaltungsgebäude
Ort79100 Freiburg
Fertigstellung2022
FördernehmerStiftung Waldhaus, Freiburg
BilderYohan Zerdoun Photography, stocker.dewes architekten, Elztal Holzhaus, Ingenieurbüro Wirth Haker

Details zum Projekt

Nichts liegt näher, als ein neues Forstamt in Holz zu bauen. So jedenfalls war es in Freiburg. Von Beginn an sollte das Verwaltungsgebäude ein Holzbau werden – idealerweise aus Holz des stadteigenen Forstes. Auch die räumliche und funktionale Nähe zum ebenfalls aus Holz gebauten Waldhaus, einem bereits 2008 fertiggestellten Schulungsbau für Umweltbildung, sprach für ein Gebäude aus dem nachwachsenden Rohstoff. Darüber hinaus wollte sich die Stiftung Waldhaus, Bauherr beider Gebäude, mit dem neuen Projekt für die Förderung innovativer Einzelbauvorhaben der Holzbau Offensive Baden-Württemberg bewerben. Hierfür galt es, entsprechende Schwerpunkte zu setzen. Und so ergaben sich beim Entwurf des neuen Forstamts, das auf den ersten Blick ein schlichter Würfel aus Holz und Glas ist, zwei besonders innovative Aspekte: Zum einen die Verwendung von Laubholz für die gesamte Tragstruktur, zum anderen das statische System. Denn die Aussteifung des fast kubusförmigen Gebäudes, das im Grundriss 13,64 m x 14,14 m misst und 12,95 m hoch ist, erfolgt ausschließlich über die Außenwände, die als biegesteife Mehrfach-Rahmen fungieren. Im Innenraum stehen lediglich sechs Stützen zur vertikalen Lastabtragung, so dass sich alle Grundrisse frei einteilen lassen. Selbst der Erschließungskern mit Treppenhaus und Aufzugsschacht hat hier keine aussteifende Funktion.

 

Architektur: Stocker Dewes Architekten BDA, Freiburg
Tragwerksplanung: Ingenieurbüro Wirth Haker, Freiburg
Ausführendes Holzbau-Unternehmen: Elztal Holzhaus GmbH, Schuttertal
Lieferung Buchen-FSH: Pollmeier Massivholz GmbH & Co.KG, Creuzburg

 

Ausführlicher Abschlussbericht

 

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Rahmenkonstruktionen der Außenwände steifen das Gebäude aus

Das viergeschossige Gebäude besteht aus einem Sockelgeschoss aus Stahlbeton, auf das drei Geschosse in Holzbauweise aufsetzen. Die wesentlichen Elemente der Tragstruktur bilden neben den sechs Innenstützen (b x h: 20 cm x 26/20 cm) aus Buchen-Furnierschichtholz (Buchen-FSH), kurz BauBuche, die Außenwände mit drei vertikalen Riegeln (b x h: 100 cm x 10 cm) pro Seite, die als Stützen wirken, sowie jeweils einem horizontalen Brüstungselement (h x b: 88 cm x 10 cm) pro Ebene. Letztere sind Aussteifungselement und Deckenüberzug in einem.

Horizontal- und Vertikalriegel sind dabei aneinander vorbei geführt und nicht miteinander verschränkt, wohl aber in den Kreuzungspunkten miteinander verbunden. In ihrer Gesamtheit bilden die „Stützen“, die durch Stabdübel mit den Riegeln verbunden sind, an den Knotenpunkten biegesteife Rahmenecken aus, und zwar in Reihung, ähnlich dem Prinzip eines Vierendeelträgers. Das ermöglichte es, auf die Diagonalen eines Fachwerks zu verzichten.

56 Stabdübel aus Stahl sowie 39 Schrauben zur Lagesicherung mussten die Zimmerleute pro Knotenpunkt, beispielsweise im 2.OG, in die hochfeste BauBuche setzen. Die hohe Steifigkeit der Knotenpunkte wird durch den Einsatz von BauBuche als tragendes Element in Kombination mit den Stabdübel-Verbindungen erreicht. Mit dieser ‘Super-Structure’ konnte man auf Innenwände zur Aussteifung verzichten und auch die Gebäudeecken konnten stützenfrei bleiben. Das brachte sowohl im äußeren Erscheinungsbild eine hohe ästhetische Qualität mit sich, als auch für die Innenräume, wo die stützenfreien Über-Eck-Fenster eine raumerweiternde Wirkung entfalten und großzügige Ausblicke erlauben. Zudem konnten die Knotenpunkte die durch die Auskragungen erzeugten Kräfte ohne weiteres aufnehmen. Die größten Horizontallasten, die auf das Gebäude wirken, sind neben Windkräften Erdbebenkräfte. Das Forstamt liegt in der Erdbebenzone 1.

Hohe Stabilität der Rippendecken durch Verschraubung und Verklebung

Eine weitere Besonderheit des Forstamtsgebäudes liegt im Deckentragwerk: Hier haben die Ingenieure sehr schlanke Rippendecken aus BauBuche gewählt, die die Lasten im Innenbereich über zwei deckenintegrierte Unterzüge auf die sechs Pendelstützen ableiten.

Die Rippendecken-Elemente bestehen aus 4 cm dicken BauBuche-S-Platten und 8 cm x 16 cm großen und bis zu 4,72 m langen, mit der Platte verschraubten und verklebten Rippen (Schraubpressklebung), ebenfalls aus BauBuche (GL 75). Dabei wirken die kraftschlüssig verbundenen Rippen, die mit einem Abstand von 16 cm verlegt wurden, vor allem der Durchbiegung der Platte entgegen. Die Platte selbst kann die Auflagerkräfte ohne Unterstützung der Rippen weiterleiten, was es ermöglichte, die Rippen kurz vor dem Auflager am Unterzug bzw. der Außenwände enden zu lassen. Zwei Schrauben pro Rippe und pro Seite übertragen hier die Kräfte aus den Rippen auf die Platte.

Für einen guten Schallschutz sorgt schließlich der Deckenaufbau mit einer 8 cm hohen Kiesschüttung und einer 4 cm dicken Trittschalldämmung, ergänzt durch eine Heizestrichschicht von 6 cm plus Bodenbelag.

Exakte Vorfertigung aller tragenden und nicht tragenden Elemente gefragt

Sowohl die bis zu 4,88 m langen und 1,66 m bis 1,75 m breiten Decken- und Dachelemente, als auch die geschosshohen, wandartigen „Stützen“ und Brüstungen der Außenwände wurden im Werk der Elztal Holzhaus GmbH vorgefertigt und per Sondertransport auf die Baustelle geliefert. Innerhalb nur einer Woche konnte der tragende Holzbau gestellt werden. Anschließend fertigte das Fassadenbau-Unternehmen Karl Burger die nichttragenden Fassadenelemente vor und montierte sie in enger Zusammenarbeit mit dem Fensterbauer.

Die Fassadenelemente sind mit insgesamt 34 cm Mineralwolle gedämmt und mit einer horizontalen Weißtanne-Rombusschalung gelattet. Die fertigen Elemente konnten vor Ort ins Holztragwerk eingefügt und mit ihm verschraubt werden. Die enge Zusammenarbeit mit den Fensterbauern war nicht nur deshalb für einen perfekten Einbau der Fenster wichtig, weil die Fenster in die Fassadenelemente eingepasst werden mussten, sondern auch, weil die Aussparungen in den Elementen den hinter der Fassade liegenden Sonnenschutz aufnehmen mussten.

Wo wie viel Holz möglich war

In den ersten Gesprächen der Architekten mit dem Baurechtsamt war das Gebäude in die Gebäudeklasse 4 (GK 4) eingestuft worden, was bedeutet hätte, dass viele Holzoberflächen nicht hätten sichtbar bleiben dürfen. Denn in GK 4 ist es beispielsweise nicht erlaubt, Decken und Wände in unbekleidetem Holz (also ungekapselt) zu realisieren. Die Antwort lieferte schließlich eine 4-Eckpunkt-Lösung, bei der die Höhe des Holzbaus aus dem Mittelwert der Höhen von allen vier Gebäudekanten des teilweise im Hang stehenden Bauwerks gebildet wurde. Daraus ergab sich eine mittlere Gebäudehöhe von knapp unter 7 m und somit die Einstufung in die Gebäudeklasse 3 (GK 3). So durften schließlich doch sämtliche Wandoberflächen sowie die BauBuche-Decken sichtbar bleiben. Lediglich die Wände des Treppenhauses mussten mit Gipsplatten bekleidet (gekapselt) werden und bilden nun einen spannenden Kontrast zum Holzbau.

Stammt das verbaute Holz denn nun tatsächlich aus dem Freiburger Forst

„Bei allen verbauten Hölzern handelt es sich ausschließlich um heimisches Holz, berichtet Architekt Wolfgang Stocker, aus dem Büro Stocker Dewes Architekten. „Das Buchenholz für die Treppe stammt aus dem Freiburger Wald, ebenso das Douglasienholz für die Fenster und den Fußboden im Erdgeschoss. Die Firma Pollmeier, Hersteller des Buchen-FSH, kauft ihr Holz in Deutschland, unter anderem aus dem Freiburger Forst. Ob nun aber im Forstamt-Gebäude tatsächlich BauBuchen-Holz aus der Region verwendet wurde, lässt sich nicht genau sagen.“

Besonderheiten beim Bauen mit Buchen-FSH

Die hohe Festigkeit der BauBuche macht Konstruktionen mit schlanken Profilen auch bei großen Spannweiten möglich. Bis zu einem Drittel mehr Höhe müsste beispielsweise für einen Träger aus Nadelholz veranschlagt werden. So sparen schlanke horizontale Bauteile wie die Rippendecken Geschosshöhe ein und insgesamt Gebäudehöhe, und damit auch viele andere Baumaterialien und Kosten.

Bei der Bearbeitung des Hartholzes gilt es außerdem zu beachten, dass aufgrund der Härte und Widerstandsfähigkeit von BauBuche andere Werkzeuge benötigt werden als beim Bearbeiten von Nadelholz. Und zu guter Letzt müssen die besonderen Eigenschaften des Laubholzes für die Logistik zur und auf der Baustelle berücksichtigt werden. Eine hohe Festigkeit bedeutet auch ein hohes Eigengewicht, was entsprechend in die Planung etwa für den Kran oder die Wechselbrücke einfließen muss. Vor allen Dingen aber ist es unerlässlich, Buchen-FSH in der Bauphase sorgfältig gegen Witterungseinflüsse zu schützen. Daher hat sich das Holzbauunternehmen dafür entschieden, immer, sobald ein Stockwerk fertiggestellt war, eine einseitig klebende Witterungsfolie auf den Deckenplatten aufzubringen. Diese schützt das Holz in der kritischen Phase und stört später nicht im Fußbodenaufbau.

Kostenplan mit Spenden und Förderungen erreicht

Der Neubau des Forstamts soll zeigen, wie viel Potential im Bauen mit Laubholz steckt. Daher wählten die Planer ein Tragkonzept, das die Vorzüge des Einsatzes von Buchen-FSH zeigt. Dieser Werkstoff ermöglichte es, Laubholz im Bauwesen nach gültigem Baurecht und zu wettbewerbsfähigen Preisen zu verwenden.

Die Bauherrin ‘Stiftung Waldhaus’ erhielt neben einem Baukostenzuschuss der Stadt Freiburg Mittel aus dem Klimaschutzfonds der Stadt, eine Privatspende sowie eine Förderung von 200.000 Euro aus dem Holzinnovativprogramm (HIP) von Baden-Württemberg. Der Neubau lag mit rund 2,4 Millionen Euro etwa 10 % höher als ursprünglich veranschlagt. Auch der Zeitplan musste Corona bedingt angepasst werden. Seit Eröffnung ist das neue Forstamt nun Anlaufstelle für alle Anliegen rund um den Wald.

 

Projektbeschreibung: Susanne Jacob-Freitag