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Innovativer und formschöner Brückentypus - die Stuttgarter Holzbrücke 3 Brücken im Remstal

Innovativer und formschöner Brückentypus - die Stuttgarter Holzbrücke

Schlagworte

Holzbau-Referenz
HIP - Bauvorhaben
MLR
Projekte und Maßnahmen
HIP - Forschung
EFRE Holz Innovativ Programm
Fußgänger- und Radwegbrücken
2019

Projektdetails

ProjektartBauvorhaben – HIP
GebäudetypFußgänger- und Radwegbrücken
Orte71384 Weinstadt, 73660 Urbach
Fertigstellung2019
FördernehmerRemstal Gartenschau 2019 GmbH
BilderSchaffitzel Holzindustrie - Burkhard Walther, Wilfried Dechau, ARGE Stuttgarter Holzbrücke, Knippers Helbig Advanced Engineering

Details zum Projekt

Anlässlich der Remstal-Gartenschau 2019  wurden die ersten drei Exemplare einer integralen Massivholzbrücke gebaut: Die „Urbacher Mitte“ in Urbach sowie die „Häckermühle“ und die „Birkelspitze“, beide in Weinstadt. Erst- und letztgenannte Brücke kommen auf eine Länge von 38,20 m, die „Häckermühle“ auf 16,60 m. Sie gehen auf das Konzept des Forschungs- und Entwicklungs-Projekts (F+E) „Stuttgarter Holzbrücke“ zurück, wurden im Zuge der Planung jedoch mit beidseitig monolithischem Widerlagerstoß zur „Integralen Stuttgarter Holzbrücke“ weiterentwickelt.
Bei den neuen Fuß- und Radwegbrücken handelt es sich um einen Brückenkörper aus Vollholz, dessen Querschnitt sich aus senkrecht verklebten, in der Höhe abgestuften Brettschichtholz-Lagen zusammensetzt. Dieser verändert sich außerdem kontinuierlich über die Länge des Bauwerks. Er folgt jeweils dem Momentenverlauf des statischen Systems der Brücke und erhält dadurch in der Seitenansicht eine geschwungene Linie. Wesentliches Merkmal der neuartigen Konstruktion ist der monolithische Widerlagerstoß. Gemeint ist der fugenlose, fließende Übergang des Brückenkörpers aus Holz in die Widerlager aus Beton. Solche lager- und fugenlosen Querungsbauwerke definiert die Normung als „Integrale Brücken“. Es gibt Ausführungen in Stahlbeton und Stahlbetonverbund. Die Brücken im Remstal sind weltweit die ersten integralen Brücken aus Massivholz.


Objektplanung: ARGE „Stuttgarter Holzbrücke“: Knippers Helbig Advanced Engineering, Stuttgart, Cheret Bozic Architekten, Stuttgart
Bauherren: Stadt Weinstadt, Gemeinde Urbach
Tragwerksplanung: Knippers Helbig Advanced Engineering, Stuttgart
Detailplanung (Entwurfs- Genehmigungs- und Ausführungsplanung): ARGE „Stuttgarter Holzbrücke“
Werkstatt- und Fertigungsplanung, Herstellung, Montage (Holzbau): Schaffitzel Holzindustrie, Schwäbisch Hall, Ingenieurbüro Miebach, Lohmar (beratend)
Feuchtemonitoring: Materialprüfanstalt Universität Stuttgart (MPA), Stuttgart
Rohbau: Hermann Fuchs Bauunternehmung, Ellwangen
Auszeichnungen: Deutscher Holzbaupreis 2017 (Kategorie Komponenten/Konzepte), Staatspreis Baukultur Baden-Württemberg 2020 (Kategorie Infrastruktur-/Ingenieurbau), Deutscher Brückenbaupreis 2020 (Kategorie „Fuß- und Radwegbrücken)

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Auszeichnung mit dem Staatspreis Baukultur

Die Remstalbrücken nach dem neuartigen Brückentypus der Stuttgarter Holzbrücke, wurden 2020 mit dem Staatspreis Baukultur in der Sparte Infrastruktur-/Ingenieurbau ausgezeichnet.

Die „Stuttgarter Holzbrücke“ an drei Standorten im Remstal

Das Remstal hat seit Mai 2019 drei neue Fußgänger- und Radwegbrücken: Die „Urbacher Mitte“ in Urbach sowie die „Birkelspitze“ und „Häckermühle“ in Weinstadt. Sie überspannen die Flüsse Rems und Urbach mit Gesamtlängen – einschließlich der Widerlager – von 38,20 m (Urbacher Mitte und Birkelspitze) und 16,60 m und zählen zu den ersten gebauten Exemplaren des Typus „Integrale Stuttgarter Holzbrücke“. Entstanden sind sie anlässlich der Remstal-Gartenschau 2019. Sie sorgen für eine Anbindung der Gemeinden Urbach und Weinstadt an den Remstal-Radweg.
Das interdisziplinäre Forschungs- und Entwicklungs-Projekt „Stuttgarter Holzbrücke“ hatte zum Ziel, ein innovatives Konzept für eine neue Holzbrückengeneration mit Modellcharakter zu entwickeln. Bearbeitet haben es Knippers Helbig Ingenieure und Cheret Bozic Architekten, beide aus Stuttgart, in Zusammenarbeit mit der Materialprüfanstalt (MPA) der Universität Stuttgart (Otto-Graf-Institut) und der Schaffitzel Holzindustrie aus Schwäbisch Hall. Gefördert wurde das Projekt aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und vom Cluster Forst und Holz Baden-Württemberg.

Was ist eine integrale Brücke?

Mit „integraler Brücke“ wird ein Brückenbauwerk beschrieben, das weder Lager noch Dehnfugen hat. Überbau und Widerlager sind direkt, das heißt fugenlos und biegesteif miteinander verbunden. Damit lassen sich die im Brückenbau schadensanfälligen Stellen wie Fahrbahnübergänge und Lagekonstruktionen vermeiden, was im Umkehrschluss bedeutet: Stuttgarter Brücken haben eine höhere Lebensdauer als andere konventionell gebaute Holzbrücken.
Das Tragwerk der drei Remstal-Brücken bildet auf Basis des Konzepts der „Stuttgarter Holzbrücke“ jeweils ein Brückenkörper aus stehenden, 20 cm breiten Brettschichtholz-Lagen mit variabler Höhe. Die Einzellagen sind über die Seitenflächen blockverklebt. Die maximalen Querschnittsabmessungen der Brückenkörper liegen bei 2,60 m in der Breite und bei bis zu 1,10 m in der Höhe. Die unterschiedlich hohen und verschieden gekrümmten Lagen sind so miteinander verklebt, dass ein von der Mittelachse zu den Außenkanten abgetreppter Querschnitt entsteht. Auch über die Brückenlänge hinweg sind die Brückenkörper variabel geformt. Dabei folgt der Blockträger jeweils dem Momentenverlauf des statischen Systems der Brücke unter Gleichlast (Eigenlast und volle Verkehrslast). Das führt in der Seitenansicht zu der geschwungenen und besonders materialeffizienten Form.

Der fugenlose Widerlagerstoß: nahtloser Übergang von Holz zu Beton

Die Stöße des Brückenkörpers mit den Widerlagern sind als kontinuierliche, monolithische Anschlüsse ausgeführt. Dabei binden die Betonrippenstähle, die faserparallel in die Stirnflächen des Brückenkorpus eingeklebt sind, direkt in den Widerlagerbereich ein und sind nach dem Betonieren in ihm verankert. Den Biegedruck aus dem beidseitig eingespannten Brückenträger nehmen speziell ausgebildete Kontaktflächen aus Stahlblechformteilen in den vertikalen Fugen zwischen Betonfundament und Stirnfläche des Holzkörpers auf und leiten ihn in die Konstruktion ein. Die Übertragung der Biegezug- und Normalkräfte im Stoß erfolgt durch die eingeklebten Betonrippenstähle. Die Fuge zwischen Holz und Beton wird nach dem Einheben des Blockholzträgers und dem Verguss der Betonrippenstähle im Widerlager kraftschlüssig mit Hilfe von druckstabilem Vergussmörtel geschlossen.

Luftumspülter Fahrbahnaufbau übernimmt Funktion eines schützenden Daches

Brückenkörper und Gehbahnbelag sind konstruktiv entkoppelt. Der Geh- bzw. Fahrbahnaufbau wird hinterlüftet auf dem Brückenträger verlegt und kragt seitlich ein Stück über ihn hinaus aus. Die begehbare lichte Brückenbreite beträgt im Regelfall 3 m. Der Fahrbahnaufbau wirkt wie eine Überdachung und schützt das Holz darunter vor Bewitterung: Er besteht aus einer Folie und darauf verlegten Stahlprofilen. Darauf folgen Carbonbeton-Fertigteilplatten – das sind Platten, die statt mit Stahl mit Carbonfasern bewehrt werden, man bezeichnet sie auch als Textilbetonplatten. Da diese Armierung anders als Stahl nicht rostet, kann die Betonüberdeckung dünner und damit das ganze Element schlanker ausfallen, was auch das Gewicht der Elemente verringert. Textilbeton gilt im Vergleich zu anderen Gehbelägen als besonders robust.
Zum konstruktiven Holzschutz zählt außerdem die Querschnittsform der Blockträger: Sie wird von der höchsten stehenden Lage in der Brücken-Mittelachse zu den Außenkanten hin mit einem Einfallswinkel von 30 Grad abgestuft, so dass sie keinem direkten Schlagregen ausgesetzt sind und nicht durchfeuchten können. Durch Spritzwasser dennoch feucht gewordene Oberflächen trocknen schnell wieder ab, und der Querschnittskern bleibt konstant trocken.

Vorfertigung des Brückenkörpers komplett im Werk

Die Brückenkörper wurden komplett im Werk von Schaffitzel Holzindustrie vorgefertigt. Hier hat man die in unterschiedlichen Krümmungsradien hergestellten Brettschichtholz-Lagen zu einem 2,60 m breiten und bis zu 1,10 m hohen massiven Block verklebt. Auch die je Stirnseite knapp 80 Betonrippenstähle wurden werkseitig über Verpressung in den Blockträger eingeklebt – die Einklebelänge beträgt 1,20 m.
Ein Autokran hob den Holzträger der „Birkelspitze“, der ohne Widerlager 30 m misst, dann vor Ort vom Lkw, schwenkte ihn über die vorab hergestellten Widerlagerbereiche und ließ ihn dort ab. Nach exakter Justierung des Brückenkörpers und der Betonrippenstähle –  sie enden in der Armierung der Widerlager – folgte das Ausbetonieren des Bewehrungsbereichs. Um einen Feuchtetransport dauerhaft zu vermeiden, erhalten die Stirnseiten des Blockträgers jeweils eine spezielle Hirnholzversiegelung. Nach vollständigem Aushärten ist die Volleinspannung über den monolithischen Verbund hergestellt. Die Betonwiderlager greifen die Form des Holzquerschnitts auf und setzen sie bis in die Böschung fort.
Zuletzt erfolgte die Montage des Brückenbelags aus Textilbeton-Fertigteilplatten auf die bereits im Werk aufgebrachte Stahlunterkonstruktion. Sie sind etwa 3,20 m breit, 8 m lang und nur 7 cm dick. Der beidseitige Überstand der Platten über den Brückenkörper schützt ihn wie eine Überdachung und ist damit Teil des konstruktiven Holzschutzes. Die stringent ausgeführten Details bei den Brückenbelägen in Verbindung mit einer Folie als zweiter Abdichtungsebene garantiert eine dauerhafte und robuste Holzbrücke. Chemischer Holzschutz ist damit überflüssig. 
Sowohl wegen der hinterlüfteten Konstruktion als auch wegen der wartungsarmen, fugenlosen Widerlageranschlüsse, die gegenüber Feuchtigkeit und anderen Einflüssen im Vergleich zu Auflagern herkömmlicher Brücken ein Optimum an Widerstandsfähigkeit bieten, wird diesen Brücken eine höhere Lebensdauer zugeschrieben. Um die Dauerhaftigkeit sicherzustellen, hat die MPA Stuttgart dennoch ein Feuchtemonitoring installiert: ein Messsystem aus verschiedenen Sensoren überwacht die Holzfeuchte der Brückenkonstruktion an verschiedenen Stellen.
 

Moderne Brücke im Einklang mit der Natur

Die Massivholzbrücken mit frei sichtbarem und nur konstruktiv geschütztem Holzüberbau erfüllen den Anspruch auf nachhaltiges Bauen. Sie speichern nicht nur dauerhaft CO₂ und leisten damit einen wichtigen Beitrag zur Erfüllung der Klimaschutzziele, sie stellen ebenso innovative wie schöne Bauwerke dar. Mit ihrer sanft geschwungenen Gestalt fügen sie sich perfekt in die Parklandschaft der Rems ein.

Projektbeschreibung: Susanne Jacob-Freitag

Links

Die Dokumentation des Projekts wurde im Informationsdienst Holz veröffentlicht:

www.informationsdienst-holz.de

Weitere Informationen erhalten Sie unter:

www.cheret-bozic.de
www.knippershelbig.com
www.schaffitzel.de

 

Dieses Projekt wird kofinanziert durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE).